Vor Wimbledon 2019 sprach Andrej Antic vom TennisMagazin mit Oliver Heuft. Den Original-Artikel findest du hier .

Aus einem Vereinsspieler zum College und dann nach Wimbledon. Der Weg des Dominik Koepfer ist ein ganz besonderer und zeigt, dass es den einen Weg, den Kรถnigsweg, auf dem Weg nach oben nicht gibt. Er macht aber auch Mut, dass man mit solidem Basistraining den Nรคhrboden bereiten kann fรผr das ganz groรŸe Tennis. tennismagazin.de sprach mit Oliver Heuft, der gemeinsam mit Jรผrgen Mรผller 20 Jahre lang bei BW Villingen fรผr die Basisausbildung verantwortlich war und Dominik Koepfer lange trainiert hat.

TennisMagazin:
Herr Heuft, in seiner Jugend bei BW Villingen war Dominik ein sehr vielseitiger Sportler, der ausschlieรŸlich Medenspiele und Verbandsmeisterschaften gespielt hat. Ab wann war Ihnen klar, dass eine Profikarriere fรผr Dominik Koepfer Sinn macht?

Oliver Heuft:
Ich mรถchte noch ergรคnzen: Mit 16 war er deutscher Vizemeister, er spielte praktisch keine TE- und ITF-Turniere in der Jugend. In den Ranglisten rangierte er eher unter ferner liefen. Nach dem Abitur kam der Wechsel ins College. Nach vier Jahren Tulane University (New Orleans) schloss er das Studium erfolgreich ab, war US-Hallenmeister und die Nummer eins der College-Rangliste. Dann erfolgte der Wechsel ins Profilager.

Dominik Koepfer im Interview bei Sky nach seinem Erstrundensieg in Wimbledon

TennisMagazin:
Ein ungewรถhnlicher Karriereverlauf fรผr einen Tennisprofi.

Oliver Heuft:
Ja. Um zur Frage zurรผckzukommen. Zum Ende seiner Collegezeit und dem bevorstehenden Abschluss seines Studiums hielt ich es fรผr sinnvoll, mit dem Profitennis zu starten. Sein Vater Thomas und Dominik baten Jรผrgen Mรผller und mich zum Gesprรคch, was wir darรผber denken. Unter der Voraussetzung, dass er sich eine gewisse Mindest-Zeitspanne von zwei Jahren gibt, konnten wir das empfehlen. Zum ersten Mal in unserer Trainerkarriere รผbrigens.

TennisMagazin:
Warum zum ersten Mal? Gab es noch keine anderen Spieler bei Ihnen, die das drauf gehabt hรคtten?

Oliver Heuft:
Doch. Aber wir sind als Schwarzwรคlder nicht sehr schnell bei der Hand mit diesen Empfehlungen. Wir haben nichts รผbrig fรผr dieses โ€žAlles oder nichtsโ€œ-Prinzip, also quasi alles frรผh auf eine Karte zu setzen. Meine Auffassung fรผr den Job des Aufbautrainer ist es, die Kinder und Jugendlichen so auszubilden, dass sie spรคter einmal gegen Ende ihrer Jugendzeit zumindest eine gewisse Entscheidungsfreiheit und eine solide technische, motorische und athletische Basis haben. Der gute Schulabschluss muss immer klar im Fokus sein, parallel dazu die sportliche Ausbildung. Alles andere wรคre verantwortungslos. Vernรผnftige Eltern wollen das auch nicht anders. Genau so wurde auch Dominik Koepfer ausgebildet.

Eine Entscheidung, Profi zu werden, kann man meines Erachtens nur dann tragfรคhig treffen, wenn sich diese Entscheidung durch gewisse Entwicklungsprozesse aufdrรคngt und alle Informationen der unterschiedlichen Trainer gesammelt werden und dann zu weiteren Entscheidungen reifen. Unser Freund und Trainerkollege Edgar Giffenig hat einmal einen guten und sehr weisen Blog gepostet, den Jรผrgen Mรผller und ich zu hundert Prozent bestรคtigen kรถnnen: โ€žYou do not choose to be a professional player, it chooses you!โ€

TennisMagazin:
Was machen Sie denn mit Spielern, die davon trรคumen, Profi zu werden? Reden Sie es Ihnen aus?

Oliver Heuft:
Sehr junge Spieler formulieren das ja nicht so. Sie wollen so wie ihre Vorbilder werden, das hat mit Berufswunsch ja erst mal gar nichts zu tun. Den Traum zu haben, ein toller Tennisspieler zu werden, ist doch vรถllig okay. Und das Ziel zu haben, in den ersten Mannschaften zu spielen ist doch auch schon ziemlich hoch. Aber mit Tennis seinen Lebensunterhalt zu verdienen? Ganz ehrlich, die Nummer 150 der Welt im Golf verdient siebenstellig. Im Tennis? Ich glaube nicht, dass die mit ihren Ausgaben im Plus sind. Aber diese Diskussion ist ja jetzt durch das verรคnderte Reglement der ITF voll im Gange. Ganz nebenbei, ich habe nie ein Problem damit, wenn junge Spieler ihre Ziele รคuรŸern, solange es nicht die Eltern sind, die das tun.

TennisMagazin:
Sie waren in Villingen fรผr die frรผhen Jahre bis 14 fรผr Dominiks Ausbildung verantwortlich. Was hat ihn ausgezeichnet? War schon frรผh zu erkennen, was da entstehen kรถnnte?

Oliver Heuft:
So was wie in der Art: โ€žIch habe schon immer an sein besonderes Talent geglaubtโ€, โ€žich wusste vom ersten Schlag an, was in ihm stecktโ€, โ€žmir war klar, dass das mal ein GroรŸer wirdโ€ โ€“ Quatsch. Ganz ehrlich? Dominik wurde von mir genau wie von vielen anderen Trainern an der Basis nach soliden DTB-Trainingsrichtlinien trainiert. Ich war fรผr die ersten Jahre von 7 bis 14 verantwortlich, dann รผbernahm ihn Jรผrgen Mรผller. Junge Spieler sollten aus meiner Sicht in Deutschland zuerst in einem funktionierenden Clubsystem aufwachsen. Sie brauchen vielfรคltige Trainingsreize, unterschiedliche Trainingspartner, Teamwettkรคmpfe, auch andere Sportarten und eine solide athletisch-motorische Grundlage. Dann sollten sie auch frรผh in die aktiven Mannschaften integriert werden. Je nรคher die zweite Herrenmannschaft an der ersten liegt, desto leichter der stufenlose รœbergang. Sein erster Einsatz war mit 16 in der zweiten Herrenmannschaft, die in Villingen zu dieser Zeit in der Oberliga spielte. Direkt eine unter der ersten Mannschaft (Badenliga). Das war ideal fรผr das โ€žAnfรผtternโ€. Ein Jahr spรคter stand dann mit 17 seinem Einsatz in der Badenliga nichts mehr im Wege.

TennisMagazin:
Also auf Medenspiele setzen?

Oliver Heuft:
Unbedingt! Nichts ist fรผr die Grundausbildung besser geeignet als die Medenspiele und ein gutes Clubsystem. Dominik zum Beispiel hat das geliebt. Er ist ein Teamspieler โ€“ genau so ist er auch aufgewachsen. Auch wir Trainer sind Teamplayer, wir haben das vorgelebt. Den Eltern empfehlen wir das ebenso, frรผh Allianzen zu bilden und im Team Turniere zu bereisen oder sich auch abzuwechseln. Das nimmt Druck und entspannt auch die finanzielle Situation ein wenig.

TennisMagazin:
Funktioniert das denn?

Oliver Heuft:
Das hรคngt davon ab, inwieweit Eltern das auch zulassen. Dieses stรคndige sportart-spezifische Duellieren, der Kampf Mann gegen Mann, verfรผhrt Eltern dazu, selbst in dieses Schema abzugleiten und alle nur noch als direkte Konkurrenten zu sehen. Als ich in Villingen 1993 als Trainer begann, machte ich als Leiter der Talentfรถrdergruppe (damals nannte man das so) in den ersten drei Jahren mit 25 Kindern eine vierwรถchige Turnierreise. Esslingen, Waiblingen, Detmold, dann die besseren Kids noch Brรผhl und am Schluss Baden-Baden. Ich nahm fรผnf Eltern mit groรŸen Fahrzeugen mit. Die Bedingung: Keiner der Vรคter oder Mรผtter durfte sein eigenes Kind betreuen. Diese Erfahrung war Gold wert, fรผr die Eltern, die Kinder und fรผr mich. Jeden Abend um 22 Uhr kamen wir wieder zusammen und die Eltern erzรคhlten bis nach Mitternacht von ihren Erlebnissen mit โ€“ wohlgemerkt โ€“ anderen Kindern. Dieses gelebte Teamplay hat mich geprรคgt und sicher dann auch die Art und Weise, wie ich Eltern und Spieler danach betreut habe. Von Tenniseltern wird soviel verlangt, ich habe sie immer in die Prozesse mit einbezogen.

TennisMagazin:
Haben Dominiks Eltern das zugelassen?

Oliver Heuft:
Die Eltern von Dominik waren sicherlich des Trainers Traum: zurรผckhaltend und unterstรผtzend. Sie haben sich nie eingemischt und haben uns machen lassen. Vielleicht liegt das auch an einem grundsรคtzlichen Ur-Vertrauen. Die ganze Familie, Eltern, Schwester, Tante haben in Blau-WeiรŸ Villingen in Mannschaften gespielt, durchaus auch hochklassig. Sie wussten, was wir tun. Aber eine Message fรผr Eltern kann man sich aus der โ€žKoepferโ€œ-Story herausziehen.

TennisMagazin:
Welche wรคre das?

Oliver Heuft:
Ruhe zu bewahren. Ab 18 gehtโ€™s erst richtig los. Eltern mรผssen nicht in Panik verfallen, wenn es in der Jugend mal nicht so rund lรคuft. Es geht nicht darum, Ergebnisse anzuhรคufen. Ab 18 sind Jahrgรคnge egal. Wenn die Spieler erwachsen werden und das richtige Tennis los geht, dann mรผssen die Trainingsumfรคnge verdoppelt, teilweise sogar verdreifacht werden. Wie soll das gehen, wenn Kinder schon tรคglich 2-3 Stunden trainieren? Vielmehr geht es darum, den Spielern klar zu machen, โ€žintensivโ€œ zu trainieren, nicht unbedingt viel โ€“ Qualitรคt vor Umfang! Ein Top-Spieler hat beides: hohe Umfรคnge mit einer hohen Intensitรคt. Das geht erst, wenn die Spieler ausgereift sind. Schauen Sie sich das gestiegene Durchschnittsalter der Tour an. Das sagt doch alles.

โ€žSo wenig wie mรถglich dem Zufall รผberlassenโ€œ, Dominik im TennisGate Media Studio in Freiburg mit Oliver Heuft, Top-Spieler-Analysen auswerten.

TennisMagazin:
Das hรถrt sich gut an, aber ist nicht immer leicht umzusetzen, oder?

Oliver Heuft:
Klar, das Thema Fรถrderung hรคngt immer wie ein Damoklesschwert รผber den Eltern. Aber wie man in Dominiks Fall sieht, der wirklich nicht รผbermรครŸig viel Fรถrderung genossen hat: es ist wichtig, sich einen guten Club zu suchen. BW Villingen ist zwar besonders, aber kein Einzelfall. Ich kenne viele Clubs und Trainer, die genauso arbeiten wie wir. In Dominiks Fall haben sich einfach viele Faktoren in der richtigen Reihenfolge begรผnstigt. Aber allen voran steht seine unglaubliche Leistungsmotivation und sein Einsatz. Und vergessen wir nicht die entscheidendsten aller Faktoren: Glรผck und Gesundheit.

TennisMagazin:
Lassen Sie uns zu seinem weiteren Weg zurรผckkommen, die Zeit nach dem Verein. Ist es ihm leicht gefallen, in die USA zu gehen?

Oliver Heuft:
Ich erinnere mich noch genau an diese Tage kurz vor seiner Abreise in die USA, als ich ihm Tim Gallweys โ€žInner Game of Tennisโ€œ in die Hand drรผckte und mein Kollege Jรผrgen Mรผller das Training abbrach, weil sich โ€žDonneโ€, wie wir ihn nennen, mal wieder selbst heruntergeputzt hat. Sein Anspruch an sich selbst war so hoch, dass es ihm unmรถglich war, diesem gerecht zu werden. Seine Frustrationstoleranz tendierte unter null. Jรผrgen verbrachte den Rest der Trainingseinheit mit ihm auf der Bank. Uns allen war klar, entweder Donne ist in 14 Tagen wieder zurรผck in Deutschland oder er nimmt dem Kampf mit sich auf und setzt sich durch.

TennisMagazin:
Aber er hat ihn angenommen.

Oliver Heuft:
Oh ja, das hat er.

TennisMagazin:
Wie groรŸ ist Ihrer Meinung nach der Anteil vom Collegetennis an seinem jetzigen Erfolg?

Oliver Heuft:
Den kann man nicht hoch genug einschรคtzen. Head-Coach Marc Booras und das College in Tulane haben aus ihm auf jeden Fall einen Athleten gemacht.

TennisMagazin:
Wie wurde die Entscheidung fรผr Tulane getroffen?

Oliver Heuft:
Wir nahmen mit unserem Freund und Trainerkollegen Edgar Giffenig in den USA Kontakt auf, der selbst College-Coach war. Einer seiner Spieler war Marc Booras, jetzt selbst Head-Coach bei Tulane. Als Dominik 2013/ 2014 entschied, sich fรผr Colleges zu bewerben, stand er in der deutschen Herrenrangliste auf Position 525. Da kann man sich das College nicht aussuchen. Vor allem nicht eine Adresse wie Tulane.

TennisMagazin:
Ein schwieriges Thema, oder? Fรถrderung und Rangliste โ€ฆ

Oliver Heuft:
Das hat auch Dominik betroffen, nicht nur wegen der College-Bewerbung. Jรผrgen Mรผller als sein Stรผtzpunkttrainer hat ihn teilweise in der Jugend im Verband wie Sauerbier anbieten mรผssen, weil sein Ranking nicht gut war. Den Trainern sind da oft die Hรคnde gebunden. Und dann wird er auch noch deutscher Vizemeister U16 mit zwei Trainingseinheiten pro Woche. Konnte ja eh keiner glauben.

TennisMagazin:
Was heiรŸt das fรผr die Fรถrderung im Allgemeinen?

Oliver Heuft:
Mir ist vรถllig klar, dass man einen derart groรŸen Tanker, wie die Fรถrderung der Masse an jugendlichen Turnierspielern in Deutschland nur mit eindeutigen Regularien steuern kann. Und die einfachste Lรถsung ist natรผrlich eine Rangliste. Das Problem ist nur, jugendliche Tennisspieler werden genau in diese Spirale hineingezwungen, viele Turniere spielen zu mรผssen, um in der Rangliste zu steigen. รœber die Rangliste werden die Fรถrderungen und Kaderzusammenstellungen bestimmt. Die Spieler handeln also hรคufig gegen die Altersempfehlungen aus der Sportwissenschaft und haben dann mit 18 so viel Training und Wettkรคmpfe auf dem Buckel, dass sie den Umfang gar nicht mehr groรŸ steigern kรถnnen. Das ist meine Wahrnehmung, aber sicher auch nicht nur rein auf diese Sportart bezogen.

Videos mit Dominik Koepfer in verschiedenen Altersstufen biem Training in Villingen.

TennisMagazin:
Was wรคre denn besser?

Oliver Heuft:
Ein Kollege von mir hatte einmal die Idee eines Player Performance Tests, der gewisse athletische, motorische und tennisspezifische Faktoren abfragt. Neutral und unabhรคngig, รคhnlich wie der bekannte FMS (Functional Movement Screen). Aber in der Umsetzung aufwendig und vermutlich unbezahlbar. Aber sicher gerechter. Was sagt denn eine Ranglistenposition aus? Die tatsรคchliche Spielstรคrke? Das ist das erste, was ich den jungen Spielern โ€“ so auch Dominik โ€“ beigebracht habe: Schaut nicht auf die Ranglistenposition, beurteilt euren Gegner danach, was er jetzt gerade drauf hat. Wenn er beim Einschlagen keinen Schmetterball trifft oder noch besser, gar keine will (alles schon erlebt), dann locke ihn ans Netz und รผberlobbe ihn. Wenn er auf einen Slice mit seinem starken Vorhandgriff mit dem Rahmen trifft, dann halte dann Ball flach und spiel den Slice so oft es geht. Spieler, die schon vor der Ranglistenposition ihres Gegners erzittern, bemerken manchmal nicht mal, dass der Gegner Linkshรคnder ist. Auch das habe ich schon mehrfach erlebt.

TennisMagazin:
Ihr Fazit aus dieser Diskussion?

Oliver Heuft:
Ranglistenpositionen im Jugendtennis suggerieren Spielstรคrke und Leistungsvermรถgen. Das korreliert jedoch nicht immer.

TennisMagazin:
Um noch mal auf die Verpflichtung mit Tulane zurรผckgekommen. Was hat denn dann den Ausschlag gegeben, nachdem es ja sein Ranking nicht sein konnte?

Oliver Heuft:
Zuallererst sicher die persรถnliche Einschรคtzung von Marc Booras (Headcoach von Tulane) der erste Eindruck, den Dominik im Probetraining in Tulane hinterlassen hat und auch die Gesprรคche mit seiner Familie. Sicher war es nicht zu Dominiks Nachteil, dass Edgar und ich Marc berichten konnten, dass er noch viel Luft nach oben hatte, eine groรŸe Affinitรคt zu Athletik und Fitness hat und ein totaler Teamplayer ist. Unterm Strich war das trotzdem ein ganz schรถnes Risiko, das Tulane damals eingegangen ist.

TennisMagazin:
Aber das hat sich ja richtig gelohnt.

Oliver Heuft:
Ich bin jetzt kein ausgewiesener Spezialist fรผr das College Tennis, aber ich wรผrde sagen der Pick des Jahrzehnts! Von der Nummer 6 im Team zur Nummer 1, US College-Hallenmeister und Nummer 1 der Rangliste. Dominik hat Tulane das mit seinem Einsatz und seiner Performance mehr als zurรผckgegeben. Er kann so unglaublich hart trainieren und Marc Booras hat definitiv auch die richtigen Inhalte gewรคhlt.

TennisMagazin:
Aber der Club BW Villingen hat nach dem Weggang gelitten, oder?

Oliver Heuft:
Eines ist klar, es sind niemals nur โ€žDeineโ€œ Spieler. Wenn du als Trainer oder Club so denkst, dann fรผhrt das irgendwann zu einem ungesunden sozialen Druck. Der Spieler fรผhlt sich verpflichtet. Das ist kein guter Nรคhrboden. Fรผr Jรผrgen Mรผller und mich galt immer der Grundsatz: Spieler, die uns wichtig waren, sollten immer wieder zurรผckkommen kรถnnen.

TennisMagazin:
Das Glรผck des Spielers als Maxime?

Oliver Heuft:
Spieler, die man glรผcklich sehen mรถchte, muss man manchmal auch loslassen. Es kommt der Tag, an dem du ihnen nicht mehr das geben kannst, was sie brauchen. Ich weiรŸ, dass viele Trainer den Traum hegen, einen Spieler vom ersten Schlag bis ins Profilager und dem ersten Grand Slam-Turnier zu betreuen. Aber in meinen Augen ist das eine Illusion und funktioniert eigentlich fast nur bei Eltern, die beide Funktionen haben. Und auch dann nur extrem selten.

TennisMagazin:
War Profitennis nicht auch einmal Ihr Traum oder der Kollegen in Villingen?

Oliver Heuft:
Dieses System aufzubauen, am Leben zu halten, kostet so viel Zeit, Energie und vor allem eines: stรคndige Prรคsenz. Wenn du als Club- oder Stรผtzpunkttrainer deinen besten Spieler auf der Tour betreust, lรคsst du dein System im Stich und riskierst eine Menge. Was ist, wenn der Spieler mit dir als Trainer nicht erfolgreich ist und du zuhause gebraucht wirst, von anderen Spielern, die ebenfalls deine Expertise brauchen? Mal von Familie, Kindern oder finanziellem Druck ganz abgesehen. Jeder Spieler mit einer gewissen emotionalen Intelligenz spรผrt auch diesen Druck. Er spielt irgendwann dann nicht nur fรผr sich, sondern auch fรผr dich. Um zu orakeln, dass das nicht gut gehen kann, muss man nicht Psychologie studiert haben.

TennisMagazin:
Der Spagat funktioniert nicht?

Oliver Heuft:
Ich bewundere Trainer, die es รผber Jahre geschafft haben, ihr System zuhause โ€“ egal, ob Club oder Academy โ€“ am Laufen zu halten und trotzdem viel unterwegs sind. Aber ich bin sicher, dass da immer was auf der Strecke bleibt. Unterm Strich: entweder Basistrainer oder Tour-Trainer.

Friends will be friends! Dominik mit Spielerfreunden aus seiner Zeit bei BW Villingen.

TennisMagazin:
Gibt es so etwas wie Heimatverbundenheit bei Profis?

Oliver Heuft:
Bei vielen ganz sicher. Es kommt sicher darauf an, wie man aufgewachsen ist. Das wichtigste ist, dass Spieler immer eine sportliche Heimat haben. Auch wenn sich Spielerstationen in Karrieren รคndern kรถnnen, so muss es doch eine Heimat geben, die immer da ist. Gerade dann wennโ€™s nicht optimal lรคuft. Nennen wir es einmal โ€žUrsuppeโ€. In Dominiks Fall ist seine Ursuppe sicher BW Villingen und die TennisGate Tennis- und Ballschule.

TennisMagazin:
Haben die Spieler noch Kontakt zu ihm?

Oliver Heuft:
Sie mรผssen mal sehen, was in den Villinger WhatsApp-Gruppen los ist, wenn er spielt. Das Leben eines Profis kann ziemlich einsam werden. Vielleicht nicht gerade jetzt, bei diesem Trubel um ihn nach seiner erspielten Wildcard fรผrs Wimbledon-Hauptfeld und sein Saddlebrook-Team mit allen Spielern da ist. Viele Turniere spielt er allein und muss sich vor Ort um alles selbst kรผmmern: Anreise, Hotel, Trainingsplรคtze, Trainingsprogramm, Hitting-Partner. Da denke ich, dass es ihm sicher guttut, immer Kontakt zur Basis zu haben. Und Basis ist nicht nur die Ursuppe Villingen, sondern auch die Spieler von Tulane, sein dortiger Coach Marc Booras und auch sein aktuelles Saddlebrook-Team.

TennisMagazin:
Was glauben Sie, hat zu seinen jรผngsten Erfolgen beigetragen?

Oliver Heuft:
Er ist jetzt bereit, genau daran zu arbeiten, wo es wehtut. Donne hat bisweilen ein hitziges Gemรผt, putzt sich herunter, geht mit sich sehr sarkastisch um. Schon seit seiner Jugendzeit. Meine Meinung ist, dass man seinen Charakter hat und diesen auf keinen Fall verleugnen kann โ€“ und auch nicht darf. Im Gegenteil, man muss lernen, damit richtig umzugehen. Man soll sich nicht verbiegen, muss ehrlich sein zu sich selbst und seine Energie richtig leiten. Da braucht es Fachleute, die das angehen. Was mich stolz macht โ€“ fรผr ihn, nicht fรผr mich โ€“ ist die Tatsache, dass er mit Experten an seiner mentalen Einstellung arbeitet und wer das Turnier in Ilkley (Rasen-Challenger vor Wimbledon, bei dem der Sieger eine Wildcard fรผr Wimbledon bekommt; d. Red.) mitverfolgt hat, weiรŸ, was ich meine. In sich ruhend, auch in engen Situationen und sogar mit Matchball gegen sich. Und das bei dem, was auf dem Spiel stand, nรคmlich die Wildcard in Wimbledon โ€“ Mann o Mann!

TennisMagazin:
Ist es auf dem Niveau normal, dass man mit Sport-Psychologen arbeitet?

Oliver Heuft:
Fรผr Berufssportler? Machen sicher einige, aber beileibe nicht alle. Von den meisten erfรคhrt man es auch nicht. Bis zu einem gewissen MaรŸ kรถnnen auch sozial kompetente und emotional geschickte Tennistrainer wertvolle Arbeit leisten. Aber wenn es um die Sahne geht, die Top 100, und du als Spieler genau weiรŸt, dass es in engen Situationen um die paar Prozent geht, die deiner Performance noch im Wege stehen? Dann ist es schon strรคflich leichtsinnig, sich nicht Fachleuten anzuvertrauen. Dominik hat das erkannt und gehandelt. Du weiรŸt nie was kommt und wie alles endet, aber eines fand ich als Trainer schon immer unschรถn: Wenn klar erkennbares Potenzial nicht ausgereizt wird. Wenn man als Spieler auf seine Karriere zurรผckblickt und erkennen muss, dass man nicht bereit war, alles zu versuchen.

TennisMagazin:
Aber das garantiert ja trotzdem keinen Erfolg.

Oliver Heuft:
Man kann nur Erfolg erhoffen, wenn man alles interne Potenzial nutzt und alles daran setzt, was einem mรถglich ist. Erwarten kann man ihn sowieso nicht. Aber dennoch ist er die Triebfeder. Es gibt so viele Spieler, die alles tun und sich trotzdem nicht das gewรผnschte Ergebnis einstellt. Aber dann kann man auf jeden Fall mit sich im Reinen sein.

TennisMagazin:
Was kann Dominik noch erreichen?

Oliver Heuft:
Nach diesem Turnier in Ilkley, in dem er einige Top-Leute hintereinander geschlagen hat und er seine mentale Einstellung richtig anpackt und Verรคnderungen zugelassen hat, bin ich รผberzeugt, dass er zeitnah unter die ersten 100 der Welt kommen kann. Und dann? Vieles ist mรถglich. Fรผr Wimbledon wรผnsche ich ihm ein bis zwei machbare Runden und dann vielleicht die ultimative Erfahrung (lacht): Borisโ€™ Wohnzimmer!

TennisMagazin:
Werden Sie dabei sein?

Oliver Heuft:
Jรผrgen Mรผller und ich werden mit Freunden selbst ab Donnerstag zwei Tage vor Ort sein. AuรŸer Jรผrgen, der schon mal Joschi Thron (Manager von Angie Kerber, d. Red) als Jugendlicher dort betreut hat, war noch keiner von uns da. Wir alle kommen noch aus der Borg/McEnroe-Generation und drรผckten uns in den spรคten 70ern noch die Nase an kleinen Fernsehern platt. Dominik genau dort jetzt spielen zu sehen, wรคre ein unfassbares Erlebnis und โ€“ wir haben ja schon รผber Trรคume gesprochen โ€“ sicher der Traum eines jeden Jugend-Trainers. Aber wir machen uns keinen Druck! (lacht).

Dominik Koepfer, aktuelles ATP Ranking 92, war lange ein ganz โ€œnormalerโ€ Clubspieler. Die Grรผnder des Trainerclubs Oliver Heuft und Jรผrgen Mรผller waren seine Jugendtrainer. Viele der Tipps, die er genossen hat, sind natรผrlich im Trainerclub enthalten.

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